In den Bergen lebt die Freiheit. Vorderriss

In den Bergen lebt die Freiheit

Bergaffiner als bekannt: auf den Spuren des Kini – vier besondere Wanderungen zu den Bergdomizilen Ludwigs II. Von Sandra Freudenberg

Von den Bergen verbreiten sich Nachrichten nur langsam oder gar nicht ins Tal. Die Almer wählen sorgsam aus, wem sie den alten Almsteig nennen oder eine Geschichte erzählen, die nirgendwo nachzulesen ist. So war es für mich ein großes Glück, ja eine Sternstunde, ein Meilenstein, als mir einer, der mehr als sein halbes Leben auf der Alm verbracht hatte, Einlass in seine Hütte, einen Schnaps und eine Geschichte darbot. Draußen standen die Kalbinnen dicht gedrängt und dampfend nach einem August-Gewitter zusammen, im Küchenofen, vor dem ich mit angezogenen Knien patschnass hockte, verbrannte ein schönes, trockenes Stück Buchenholz. „Weiter oben, auf dem Hochleger zu derer Alm, da hat der König Ludwig seine Hütte gehabt. Zweiflüglig mit einem Aussichtspavillion. Bei mir herunten sollen die Lakaien die Milch und des Heu für die schöna Ross‘ g’holt ham. Zoll um Zoll ein echter König, ist er gewesen, der Ludwig. Jeds Jahr war er heroben und hat Geschenke für an Jeden dabei g‘habt.“

Ich hatte die Geschichte fast vergessen, als ich auf einem Flohmarkt in einer alten Mühle ein Buch über den König von Bayern (1845-1886) fand. Es war ein Jahrbuch des Alpenvereins von 1991. Darin war eine alte Karte abgebildet, die sage und schreibe 17 mehr oder weniger bekannte Hütten und Aufenthaltsorte des Märchenkönigs in den Bergen aufzeigte. Dazu noch eine genaue Auflistung, wann der König die Hütten besuchte.

„Eine so ideale, planmäßige und geniale Steigerung der Alpenliebe hat vor ihm kein Sterblicher, geschweige denn ein Herrscher vollbracht“, stand dort zu lesen, als ein Zitat aus der Zeitschrift „Die Jugend“ von 1902.

Trotz der großen Publikationsflut über den König mit den vielen Schlössern wurde kaum etwas über das Leben des Schöngeistes im Gebirge veröffentlicht. Ludwig, von Kindesbeinen an in den Bergen unterwegs, liebte laut eigenem Bekunden seine einfachste Hütte mehr, als all‘ seine Schlösser zusammen genommen. Jede der Hütten besuchte er für mehrere Tage in einem festen Rhythmus binnen eines Jahresverlauf. Egal was kam, die Hüttentour war ihm heilig.

 „Auf Bergeshöhen… in Gottes freier, erhabener Natur, wo ich mich heimisch fühle“, schrieb er an seine ehemalige Kinderfrau über seine Beweggründe, sich in die Berge zurück zu ziehen.

Schon auf meiner ersten Tour zu einer der königlichen Hütte hat mich die Erhabenheit des Ortes tief berührt. So tief, dass ich mich fünf Jahre intensiv mit dem Naturmenschen und Kunstliebhaber befasst habe, und an die 30-Mal an Orten seines Schaffens war, bis dahin, dass ich sogar ein geheimes Almbad des Königs gefunden habe, welche einst auf einer Märchenwiese stand.

Hier eine Auswahl an königlichen Hütten und Plätzen:

Die Soiernhäuser

Im Soierngebiet, das zum Karwendel-Gebirge gehört, hat Ludwig ein Gesamtkunstwerk, bestehend aus Landschaftsbühne und Bauwerken, geschaffen. Nach seinem Tod verwahrloste sein Werk, wurde geplündert, geschändet und wiederaufgebaut. Auf alten Wegen findet man dort wie nirgends sonst im vormaligen Königreich Bayern zum mythischen Erleben. Dieses Gefühl war Ludwig wichtiger und wertvoller als Macht, Reichtum und Ruhm.

Geschenk der Wege

Ludwigs Aufenthalten in den Bergen haben wir wunderschöne Wege zu verdanken. Auf die „Soiernhäuser“ führen davon viele: Der Lakaiensteig ist der bekannteste. Da der König gerne stilvoll speiste, musste ein solcher Wege angelegt werden, damit die Diener die wertvollen Güter wie Damasttischdecken, Silber und Kristall, Moselwein, Edelbrände, Pasteten und Pralinen möglichst schnell zur Hütte schaffen konnten. Der Steig ist heute stellenweise mit Drahtseilen und Leiter nachgerüstet worden, da er teilweise recht luftig ist.

Das Gebiet ist reich an Gämsen, hin und wieder steht aber auch ein Jungrind auf dem Steig. Dann ist guter Rat teuer. Ich habe jedenfalls das mir begegnende Rind nicht zum Ausweichen bewegen können und wartete eine gute halbe Stunde mit ihm, bis die Verdauung beendet und an Weitergehen gedacht werden konnte. Gemeinsam trotteten wir dem Ziel entgegen, das Tempo gab nicht ich vor.

Der König selbst nahm einen bequemen Reitweg, der von der Vorderriß entlang des heutigen Soiernwegs bis zur „Hundstall“ führte. Er legte extra schriftlich fest, dass vor seiner Anreise der Kuhdung bitte zu entfernen sei.

Amphitheater mit Seebühne

Ludwig selbst ließ von seinen vielen Hütten, die er besaß, drei selbst bauen, darunter die Soiernhäuser. Alle anderen hatte er von seinem Vater, König Max II. übernommen.

Das Ensemble der Soiernhäuser bestand einst aus königlicher Unterkunft und einem Personalhaus mit Pferdestall. Außerdem ließ Ludwig ein Belvédère auf dem Gipfel des Schöttelkars errichten. Die Gesamtheit der Bauten und Gebirgsformationen ergaben ein gigantisches Amphitheater, das die natürlichen Formen des weitläufigen Geländes einbezog.

An allen Orten, die Ludwig für sich schuf, Schlösser wie Bergfluchten, zeigt sich das gleiche Muster: Ziel war es, ein mystisches Erlebnis aus Baukunst und Landschaft zu schaffen. Wobei die Bauten die Kraft der Natur aufnahmen und damit verstärkten. Auf dem Schöttelkar verdichtete Ludwig Raum und Natur zu einem Bühnenweihespiel von beeindruckendem Ausmaß: der Ernst der Landschaft, die anschmiegsamen bescheidenen Bauten und im Zentrum die spiegelklaren Seen, darüber die Königsloge in luftiger Höhe, eines römischen Kaisers würdig!

Ludwig selbst ließ sich manchmal in einem schwarzen Boot mit rotem Segel namens Tristan bei Mondschein auf dem Soiernsee treiben: Ein Operninszenierung mit Ludwig in der Hauptrolle! Klaus Mann beschreibt in einer Novelle sehr passend, wie Ludwig in seiner Phantasie zum Schwarzen Schwan wird, der „im Wasser der Nacht“ Rheingold- und Tristan-Musik hört.

„Und dann senke ich mich auf das Wasser eines meiner schönen Seen“, lässt Klaus Mann den König in seiner Novelle weiter träumen.

Zum Nachwandern

Meine Wegempfehlung habe ich vom hochbetagten Archivar der Alpenvereinssektion Hochland aus München, Alois Mittermaier. Der Weg ist reich an großen Natureindrücken.

Statt der bekannten Zustiege von Krün aus, wie Lakaiensteig oder Fischbachstraße, empfiehlt er eine botsmässige Annäherung an das Ziel. Der von ihm empfohlene Steig führt über Höhen in die Tiefen über die Königsloge der Schöttelkarspitze hinab zum Soiernhaus (bewirtet).

Talort: Mittenwald, Parkplatz Verein-Alm (1395 m).

Wegzeit: 8,5h und ca. 1500 Höhenmeter, beim Auf- und beim Abstieg. Nur für geübte Bergsteiger mit Erfahrung im Gratwandern. Bis zur Verein-Alm ist die Zufahrt mit dem MTB möglich.

Tourenbeschreibung: Über die Verein-Alm – einem Bilderbuch-Jagdschloss aus dem  vormaligen Besitz des Herzogs von Luxemburg – über einen Reitsteig zum Hirzeneck (1803 m) hinauf zur Soiernspitze ( 2257 m) und weiter zum Schöttelkar (2050 m), dann hinab zum Soiernhaus (Übernachtungsmöglichkeit, jedoch kein Winterraum). Wir haben auf dem Schöttelkar übernachtet und die Spiegelungen des Mondes im Soiernsee genossen.

Variante: Eine Abkürzung besteht ab der „Jägersruh“(1803 m), wo man statt auf die Soiernspitze über den Weg Nr. 362 hinauf zum Soiernsee (1894 m) abbiegen kann.

„Ihr wart ein Dichter, ein Kämpfer, ein königliches Blut,

in einer Zeit, wo Könige nichts bedeuteten als Entehrung,

Ein Märtyrer jenes Rechts, das im Glauben ruht.

Mög‘ Eure Seele wahren ihren strahlenden stolzen Flug,

Zu dem Wagner Musik empor sie trug“

Paul Verlaine, „le seul vrai roi de ce siècle“

Die Marokko Wiese

Das Graswangtal lockt an seinem lichten Eingang mit überbordender Lieblichkeit. Weites Weideland, schmucke Dörfer und das Bächlein Linder schmiegen sich in die Landschaft.

Ist man aber einmal weiter hineingegangen und hat das Schloss Linderhof und den Schattenwald passiert, wird man schier verschlungen von der leidenschaftlichen Wildheit der rauen Bergwelt hier. Entlang steiler Hänge mit tiefen Karen schlängelt sich das Tal, wird immer enger, immer finsterer. So unwirklich wie der Geist aus der Wunderlampe Aladins entsteigt eine Märchenwiese dem Gebirgswald: erhaben, feierlich und voller Kraft. An diesem verwunschenen Ort hat Ludwig eine Hütte im maurisch-marokkanischen Stil unterhalten. Die Wiese ist riesig, voller Bergkräuter, eingerahmt von dunklen Tannen und Fichten, ist sie die reinste Herrlichkeit – schöner als jeder Park. Der Kontrast zwischen Orient und alpiner Landschaft muss berauschend gewesen sein.

Um seine Idee eines orientalischen Palastes im maurischen Stil zu realisieren, erwarb Ludwig 1878 auf der Weltausstellung in Paris den Verkaufsstand für marokkanische Handwerkskunst, ließ ihn in Kisten verpacken und herbeischaffen. Als Standort fand man eine Hochweide, die entlegener nicht hätte sein können. Auf alten Karten ist die Wiese als „Marokko“ tituliert, auf heutigen ist sie nicht mehr eingezeichnet, das Haus steht leider auch nicht mehr dort. Nach Ludwigs Tod wurde das Marokkanische Haus zunächst verkauft, nein, eigentlich muss man sagen verramscht, dann 1980 vom Freistaat zurückerworben und aufwendig restauriert. Heute hat es einen wohlbehüteten Platz im Schlosspark Linderhof gefunden. Dort fristet es ein Dasein im Schatten des Schlosses, versteckt im Wald und kaum beachtet.

Ludwigs Hofkoch Theodor Hierneis berichtete, dass der König in seinem Marokko-Haus, zwischen hohen Alpengipfeln, seine Entourage, darunter schmucke Burschen der leichten Kavallerie, aber auch Lakaien und Günstlinge wie den Schauspieler Joseph Kainz in zu einer Art Sultansgelage zusammenkommen ließ. Die Männer ruhten auf dicken Perserteppichen über denen Spiegel hingen. Die Buntglasfenster ließen nur gedämpftes Licht einfallen; man berauschte sich an Veilchenbowle, rauchte Wasserpfeife und trug wallende Gewänder. Vasen, Platten und Tische mit Perlmutt, ein Brünnlein und zwei bronzene Elefanten bildeten die Kulisse, die Ludwig für authentisch hielt.

Zum Nachwandern

Talort: Parkplatz an der Ammergaustraße (Linderhof–Plansee), vor einer großen Kehre, kurz vor der österreichischen Grenze („Bei den 7 Quellen“) auf 1083 Meter Höhe

Da es von der Straße bis zur Marokko-Wiese nur ein kurzer Spaziergang ist, hier noch ein weitere Wandertipp:

Ziel: Scheinbergspitze (1926 Meter) über Marokko-Wiese (1125 Meter)

Wegzeit (hin und zurück): 4,5 Stunden

Höhenmeter: ca. 850 Meter

Strecke: 7 Kilometer

Anforderung: Ein Teilstück weglos, unterwegs gibt es kein Wasser, daher genügend zum Trinken mitnehmen

Einkehren: Ein Picknick auf der Wiese bietet sich an – in Gedenken an den König!

Karte: „Werdenfelser Land“ (1 : 50.000) vom Landesamt für Digitalisierung und Vermessung

Empfehlung

Man könnte sich zuerst in das Getümmel um Schloss Linderhof stürzen, um dort das restaurierte Marokkanische Haus zu besichtigen und anschließend den Ort zu besuchen, an dem Ludwig es ursprünglich aufstellen ließ – in der Einsamkeit der Wälder. In dem Fall ist eine Radeltour entlang der St. 2060 und der kurze Aufstieg dann zu Fuß die beste Wahl.

Mit dem Eindruck des Hauses im Kopf kann man es sich an einem Sommertag auf der Wiese liegend umso besser vorstellen.

Ehe ich Dich auf den rechten Königsweg führe, muss ich Dir die Holz – und Nebenwege zeigen.“

Christian Franz Paullini

Vorderriß und Jachener Kirchensteig

In Vorderriß bündeln sich gewaltige Naturkräfte. Der Ort, kaum mehr als fünf Gebäude umfassend, liegt am Hochufer des Rißbachs und der jungen Isar, die hier ein ungezogener, frisch-fröhlicher, kleiner Gebirgsbach ist.

Drei breitschultrige Berge, kaum erschlossen und verwildert, stoßen hier ebenfalls aufeinander. Im Epizentrum dieser Macht steht die zierliche Marienkapelle, die König Ludwig II. auf bereits geweihtem Boden bauen ließ.

Der bekannte Buchautor Ludwig Thoma, der aus einer Förster-Dynastie stammt, verbrachte hier seine Jugend. Auf alten Jägersteigen und dem Kirchensteig, lässt sich die Gewaltenkraft hier am besten ergründen.

Königshaus im Epizentrum der Elemente

Am Sonntag gingen die Menschen von den Almen, Höfen und aus den Wäldern in die Kirche. Gläubige, Bigotte, wenige bis gar nicht Gläubige – alle: Die Arbeit ruhte, man traf sich, erbat Hilfe, Segen oder dankte Gott. Demut war kein hohles Wort, Demut wurde gelebt. Ein alter Kirchensteig, den ich auf einer topografischen-Karte von 1890 gefunden habe, der auch noch immer ganz gut erhalten ist und von „der Jachen“ zur „Vorderen Riß“ führt, zeugt von dieser Zeit. Noch immer gehen jedes Jahr im August die Jachner über diesen schmalen Steig einen Bittgang nach Hinterriß.

Ludwig scheint mit dem Bau der Marien-Kapelle seine Demut vor der Schöpfung zum Ausdruck gebracht zu haben: Die Zartheit des Baus betont nur noch mehr  die Gewaltigkeit der Natur; die nach oben strebende Gotik, selten für Oberbayern, könnte symbolischer als Ausdruck für den Menschen, der über die Natur den Weg ins Spirituelle sucht, nicht gewählt worden sein.

Gemeinsam mit der Kapelle bilden das Königshaus, in dem König Ludwig viel Zeit verbrachte, das Forsthaus, wo Ludwig Thoma mit seinem Vater, dem Revierförster lebte und ehemalige Stallungen, gruppiert um alten Baumbestand, ein Ensemble voller Harmonie. Den sorgsam gepflegten Gebäuden ist ihre Würde gut anzusehen, gerade wegen ihrer Schlichtheit, die den guten Stil um so mehr hervorbringt.

Die Energie des Ortes ist heute wie damals besonders. Ließ der König aus diesem Grund sogar Kabinettssitzungen auf der Wiese vor seiner königlichen Hütte abhalten? Vielleicht, um die steifen Minister in „Gottes freier Natur“ etwas zu – sagen wir – inspirieren? Es muss jedenfalls ein herrlicher Anblick gewesen sein; die hohen Herren in Uniform und Staatsgewand, der König ohnehin immer vornehm, das entsprechende Mobiliar, alles auf einer weitläufigen Bergwiese vor der Kulisse des Karwendelgebirges. Sogar einen kleinen Pool hatte Ludwig hier vor seiner Königshütte und es ist gut möglich, dass er den Ministern ein Bad darin gewährt hat. Außerdem gibt es einen kleinen Wasserfall in der Nähe, den die Einheimischen kennen, und die Prinzregenten Dusche nennen. Wer weiß, wer sich dort schon alles erfrischt hat?

Schade jedenfalls, dass Politik in Bayern heute nur noch in geschlossenen Räumen gemacht wird – und kein Staatsoberhaupt mit so viel Phantasie und Leidenschaft wie Ludwig sie besaß, für Schwung sorgt.

Zum Nachwandern

Über den Kirchensteig, den Rißerhochkopf über die Luitpolderalm in die Jachenau: dies ist der Jachener-Kirchensteig rückwärts gegangen, wobei man auf das Königliche Haus und die Kapelle eine unwirklich schöne Aussicht genießt.

Talort: Parkplatz Postwirtschaft Vorderriß oder Bergsteigerbus

Ziel: Rißsattel (1.217 m) oder weiter in die Jachenau über Luitpolderalm.

Variante: Rundtour über Ochsensitz und über die Mautstraße zurück zum Gasthaus

Wegzeit: Der klassische Kirchensteig bis zur Jachenau ist in gut 2,5 bis 3 Stunden Gehzeit möglich. Eine Kombination aus Kirchsteig, Jägersteig und weglosem Gehen zum Gipfel der Rißsattel (Gipfelname) ist ein schönes kleines Abenteuer für Geübte. Unter geogreif-uni-greifswald.de ist Kartenmaterial von 1890 zu finden, in dem alte Wege eingezeichnet sind. Für diese Tour ist mit 2 Stunden Wegzeit zu rechnen.

Das Pürschlinghaus im Ammergebirge

In Oberammergau und den umliegenden Bergen ist viel vom funkelnder Zeitkolorit König Ludwigs erhalten. Wer hier den wilden, den weiten Weg zu den Königlichen Hütten wählt, den führt dieser weit über das eigentliche Ziel hinaus.

Über Oberammergau thront ein steiler Felsgipfel: der Kofel (1342 m). Der sieht so aus, wie Obelix mit Hinkelstein. Der Gipfel ist Namensgeber der Heimatsound-Band „Kofelgschroa“, deren karger Wortwitz erfrischend wie ein kühles Bad in der Ammer wirkt. Sie bezeichnen sich als „Freizeitmusiker mit viel Freizeit“ und betrieben eine Weile lang ein Hotel im Zentrum von Oberammergau: Hotel Kovèl. Eine richtige Zimmerbuchung gab es nicht, auch keine richtige Heizung oder Warmwasser. Aber Musik. Textprobe gefällig? Bitte schön, diese hier scheint mir sehr passend:

Es lohnt sich, ein wenig über den Reim nachzudenken.

„Vom Granswang bis zum Ammersee,

fließt dasselbe Wasser eh,

keiner braucht dafür was doa,

abwärts geht’s von ganz alloa“

((Eintagsseminar, Kofelgrschoa))

Die Weitergabe des Feuers

In Oberammergau ist man Ludwig bis heute treulich zugeneigt: Anlässlich des Königs‘ Geburtstag werden seit 1888, immer am 24. August, ihm zu Ehren Feuer auf dem Kofel entzündet  – darunter eine brennende Krone. Während die Männer auf dem Berg das Feuer entfachen, spielt unten im Tal die Musik Beethovens hymnisches „Die Himmel rühmen“. Mit brennenden Fackeln ziehen sie dann über den Kofel-Steig zurück ins Tal, einer langen fröhlichen Nacht entgegen. Feuermacher zu sein ist eine große Würde und wird wie ein Adelstitel innerhalb der Familie weitergegeben. Über den Kofel gelangt man zu einer von Ludwigs einsamen Berghütten, die besonders reizvoll gelegen ist.

Ein Weg zur inneren Überwindung

Vom Kofel-Steig aus führen zwei sehr unterschiedliche Wege weiter zu den beiden Pürschlinghäusern. Der eine, genannt Sonnenberggrat, ist der anspruchsvollere Steig.

Der Weg mit der metaphorischen Bezeichnung „Königsweg“ führt den Wanderer sanfter und an der nördlichen Hangflanke auch schattiger hinauf zu den erhaben gelegenen Berghütten.

Ludwig besuchte das Pürschling-Haus jedes Jahr für ein paar Tage, ging dann viel spazieren und schrieb romantisch-melancholische Briefe. Er ließ sich durch einen Schauspieler auch mal aus Schiller rezitieren, stieg im Vollmond auf den Teufelsstättkopf, um das Blau der Nacht zu bestaunen, welche hier – weit weg von Eintrübung – wie von Miró geträumt erscheint.

Auf dem Pürschling können Gäste im ehemaligen Lakeien-Haus übernachten. Original ist es jedoch nicht mehr. Die königliche Hütte behalten sich Mitglieder des Vereins für private Nutzung vor.

Zum Nachwandern

Talort: Oberammergau, Parkplatz am Tennisplatz unterhalb des Kofels, direkt am Weganfang.

Ziel: Pürschlinghaus (1564 m)

Wegzeit: Gesamtgehzeit über den Sonnenberggrat 6 bis 8 Stunden, über den Königsweg etwas kürzer – gute Geher werden diesen in einer Gesamtgehzeit von 6 Stunden schaffen.

Höhenmeter: ca. 960 Höhenmeter auf ca. 8 Kilometer verteilt

Variante: Mit dem MTB von Unternogg aus über den Reitweg bis zum Pürschlinghaus. Auf dieser Route passiert man die Hubertuskapelle, die dort steht, wo Ludwig ebenfalls eine Hütte, die Halbammer Hütte, besaß und für kurze Aufenthalte nutzte.

Tipp: Es ist „unbergsteigerisch“, aber ein herrlicher Spaß, und Ludwig hätte es auch getan: Mit dem „Alpine Coaster“ von der Kolbenhütte hinab ins Tal schweben, statt zu gehen! www.kolbensattel.de/alpine-coaster

Sandra Freudenberg

Sandra Freu­den­berg ist für ihr Buch mit dem Titel „In den Bergen lebt die Freiheit – Wanderungen auf den Spuren König Ludwig II.“ über fünf Jahre lang der Fährte des Königs der Bayern gefolgt. Dabei hat sie phantastische Landschaften und geheime Orte gefunden. Die Alpinistin hat sich in der Zeit zu einer begeisterten Wanderin entwickelt. Sandra Freudenberg ist Gründerin und Chefin des Alpen Film Festivals.


In den Bergen lebt die FreiheitWandern auf den Spuren von König Ludwig II.In den Bergen lebt die Freiheit,
Wandern auf den Spuren von König Ludwig II.

Sandra Freudenberg, Stefan Rosenboom

erschienen im Knesebeck Verlag,
gebunden, 20.5 x 25.5 cm,
192 Seiten mit 162 farbigen Abbildungen,
30,00 Euro

© Fotos: Stefan Rosenboom